Am 24. November haben wir uns mit einem Gottesdienst von der Bethanienkirche verabschiedet. Am 1. Dezember haben wir die Kirche dann in die Hände der Gesamtkirchengemeinde München zurückgegeben. Die Gesamtkirchengemeinde wird nun eine andere, sinnvolle Nutzung für das Gebäude entwickeln.
Wir als Kirchengemeinde Feldmoching-Hasenbergl treffen uns nun in der Kapernaumkirche am Lerchenauer See, in der Evangeliumskirche im Hasenbergl. Und wir werden uns auch neue Orte in Feldmoching suchen, an denen wir zusammenkommen können.
Predigt von Pfarrer Uli-Leser von Kietzell über Lukas 19,1-10
Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt. Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren. Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.
Da sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt. Zachäus aber trat herzu und sprach zu dem Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist ein Sohn Abrahams. Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
Zachäus, ein Zöllner der in Jericho lebte. Er war ein Außenseiter, von vielen verachtet, und dennoch suchte er Jesus. Und der Evangelist Lukas erzählt diese Geschichte mit lauter Überraschungen.
Ein Oberzöllner. Einer, der andere anweist, sich die Hände schmutzig zu machen. Er lebt gut davon, dass andere betrügen. Und ist damit reich geworden. Und jetzt? Jetzt will dieser große Gauner zu Jesus. Weil er klein ist, klettert er auf einen Baum. Da sitzt er nun. Merkwürdig: Einer, der auf dem Baum sitzt und sich dort versteckt, aber doch auch etwas sehen will. Wenn er gesehen wird, macht er sich dann nicht lächerlich? Ein überraschender Anfang.
„Er begehrte Jesus zu sehen, wer er wäre.“ Warum will er denn unbedingt Jesus sehen? Warum steigt er auf einen Baum? Einfach aus Interesse und Neugierde? Oder hatte Zachäus sein bisheriges Leben satt und fühlte sich innerlich leer? Ich denke, seine Handlung zeigt eine Entschlossenheit und ein Hunger nach dem, was Jesus zu sagen hat. Ein Hunger nach dem Wort Gottes.
Die zweite Überraschung: Jesus entdeckt Zachäus: „Als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: ‚Zachäus steig eilend herunter, denn ich muss heute in deinem Hause einkehren‘.“ Jesus hat jetzt nur Augen für Zachäus! Er sieht nur ihn. Die Masse der Menschen, die gekommen war, um ihn zu sehen, blendet er jetzt ganz aus. Und er geht zu ihm nach Hause. Zachäus macht sich nicht lächerlich, als er vom Baum steigt. Jetzt wird er beneidet.
Bei Zachäus zu Hause geschieht das Wesentliche.
Zachäus erkennt sich selbst und will sich ändern. Ohne dass Jesus irgendetwas in dieser Richtung gesagt hat. Diese besondere Gemeinschaft hat ihn verändert. Gottes Gegenwart verändert uns.
Heute ist diesem Hause Heil widerfahren. Heißt es dann am Schluss. Damit mein Jesus nicht das feste Haus. Oikos heißt es im Griechischen und meint all die Menschen und Tiere, die mit Zachäus zusammen sind: so wie im Zehnten Gebot es heißt: Weib, Knecht, Vieh und alles was sein ist, das ist das Haus. Diesem Subsystem ist Heil widerfahren.
Unsere Geschichte vom Zachäus hat es in unserem Perikopenbuch, also dem Buch, wo alle Predigttexte in einem Zeitraum von 6 Jahren vorgeschlagen sind, hineingeschafft. Und interessanterweise an einer besonderen Stelle. Nämlich bei Kirchweih, oder einer Einweihung einer Kirche. Dabei ist ja gerade in diesem Text überhaupt nicht von einem Gebäude die Rede. Aber es gibt einen Grundgedanken, der dabei mitschwingt: Immer, wenn wir den Geburtstag einer Kirche, müssen wir uns auch schon von dem Gebäude distanzieren. Nicht in dem Gebäude ist das Heil, sondern in der Gemeinschaft, die sich in diesem Gebäude trifft. Und das Heil ist nicht an ein Gebäude gebunden. Wie bei Zachäus ist es die Gemeinschaft, die er sucht. Er sucht Jesus. Und seine Gegenwart macht ihn froh und hoffnungsvoll. Er spürt es bei sich zu Hause. Er könnte es auch in der Synagoge finden. Oder irgendwo draußen im Freien.
Als wir die Golgathakirche geschlossen haben, hat sich unsere Kirchengemeinde nicht aufgelöst. Ich danke an dieser Stelle einmal Frau Fernolend, die jetzt seit fast 20 Jahren in Ludwigsfeld, den Seniorenclub aufrecht erhalten hat. Und immer wieder neue Senioren findet, die sie einlädt und die dann in die Räumlichkeiten unseres ehemaligen Kindergartens kommen.
Wir müssen immer wieder neue Wege finden, wie wir unseren Glauben leben können. Kirchen sind dazu notwendig. Aber nicht nur.
Wenn ich die Entwicklung der vergangen 20 Jahre ansehe, dann merke ich, dass der Wunsch nach anderen Orten, außerhalb der Kirche, zugenommen hat. Sehr viel Braupaare aus unserer Gemeinde lassen sich nicht mehr in unseren Kirchen trauen. Sondern an besonderen Orten: in einer Eventgastronomie, Auf dem Brauneck oder der Zugspitze, am Bodensee - sie glauben gar nicht, wo ich schon überall war.
Oder bei den Taufen der Konfis: ein beliebter Ort ist da, wo wir am Wochenende zusammen sind: auf unserer letzten Konfifreizeit am Fluss. Weil da die Taufe in der Gemeinschaft der Konfis stattfinden kann. Im letzten Jahr habe ich dann einen Konfirmanden auf dem Olympiaberg getauft, oder Jahr davor zwei im Feldmochinger See.
Die Schließung der Bethanien Kirche ist schmerzlich. Sie war ein Ort des Gebets, der Hoffnung und der Gemeinschaft. Doch wie Jesus zu Zachäus sagte: „Zachäus, steig schnell herunter; denn ich muss heute bei dir bleiben“ (Lk 19,5). Diese Worte erinnern uns daran, dass Gott nicht an Orte gebunden ist. Er kommt zu uns, wo immer wir sind – in unseren Herzen und in unseren neuen Gemeinschaften.
Zachäus erlebte eine Transformation; seine Begegnung mit Jesus führte zu einer radikalen Veränderung seines Lebens. „Siehe, Herr, die Hälfte meines Besitzes gebe ich den Armen“ (Lk 19,8). Auch wir sind aufgerufen, Veränderungen anzunehmen und zu erkennen, dass unser Glaube nicht an Mauern gebunden ist. Die Gemeinschaft bleibt bestehen, auch wenn die Wände dieser Kirche nun leer werden.
In dieser Zeit des Abschieds dürfen wir nicht vergessen: „Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist“ (Lk 19,10). Gott wird uns weiterhin führen und leiten. Wir sind aufgerufen, die Botschaft des Evangeliums in neue Räume zu tragen – sei es in einem anderen Gottesdienstort oder in unserem täglichen Leben.
Ich wünsche mir, dass dieser Abschied nicht nur als Verlust gesehen wird, sondern auch als Möglichkeit zur Erneuerung.
Wir sind eine neue Gemeinde geworden – mit Hasenbergl zusammen. Wir haben ein neues Gotteshaus dazugewonnen: die Evangeliumskirche. Und sie ist neu gemacht. Diese Kirche wartet darauf, dass wir ihre Räume in unseren Besitz nehmen. Es ist nicht so, dass alles nur abgebaut wird. Aber es wird anders. Und Liebgewonnenes fällt weg. Das macht traurig. Das macht mich traurig. Und vielleicht schaffen wir es, Neues auch wieder lieb zu gewinnen. Trauern ist harte Arbeit. Und Neues annehmen auch.
Möge der Geist Gottes uns begleiten auf unserem Weg und uns helfen, die Liebe Christi überall dorthin zu bringen, wo wir hingehen. Das wünsche ich uns allen.